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Nahaufnahme menschliches Auge Foto: Foto von Arteum.ro auf Unsplash

Wie funktioniert unser Farbsinn?

Farben sind keine einem Objekt innewohnende Eigenschaft, wie etwa dessen Form oder Gewicht. Farben sind „nur“ ein Sinneseindruck bzw. eine Sinneswahrnehmung, die durch unser Auge und unser Gehirn vermittelt wird. Farben entstehen durch elektromagnetische Strahlung unterschiedlicher Wellenlänge, die von lichtempfindlichen Nervenzellen, den Zapfen, in der Netzhaut detektiert werden. Wir Menschen besitzen im Normalfall drei verschiedene Zapfentypen, die jeweils auf einen ganz bestimmten Bereich des Farbspektrums spezialisiert sind.

Was ist überhaupt „Farbe“?

Hervorgerufen werden Farben grundsätzlich durch elektromagnetische Strahlung und der für uns Menschen sichtbare Teil der elektromagnetischen Strahlung wird Licht genannt. Unsere wichtigste natürliche Lichtquelle ist die Sonne, aber es gibt auch künstliche Lichtquellen wie Kerzen, Lampen oder LEDs. Wir Menschen sehen elektromagnetische Strahlen in einem Wellenlängenbereich zwischen etwa 380 nm (Blauviolett) und 750 nm (Rot). Tatsächlich ist das nur ein kleiner Bereich des von der Sonne abgestrahlten elektromagnetischen Spektrums.

Das für den Menschen sichtbare Spektrum.
Das für den Menschen sichtbare Spektrum der elektromagnetischen Strahlung (Licht)
Foto: JoKalliauer (CC-BY-SA-3.0)

Wir sehen aber nicht nur Licht, das direkt von einer Lichtquelle abgegeben (emittiert) wird, sondern auch die beim Übergang von optisch verschiedenen Medien wie Wasser oder Glas gebrochene (refraktierte) sowie die von Objekten zurückgeworfene (reflektierte) elektromagnetische Strahlung. Welche Farbe ein Objekt für uns hat, hängt folglich zunächst von den Eigenschaften eines Objekts ab: Entscheidend ist, welcher Teil des auf ein Objekt fallenden Lichts von dem Objekt geschluckt (absorbiert) und welcher Teil reflektiert wird. Betrachten wir ein Objekt, gelangen die reflektierten Wellenlängen in unsere Augen und können „gesehen“ werden.

Ein Blatt erscheint grün, weil es nur die elektromagnetische Strahlung im grünen Bereich des sichtbaren Spektrums reflektiert.
Ein Blatt erscheint grün, weil es nur die elektromagnetische Strahlung im grünen Bereich des sichtbaren Spektrums reflektiert.
Foto: Hanna Regus-Leidig

Wie „erkennt“ unser Auge Farbe?

Damit Farben – also die direkt von einer Lichtquelle ausgehenden, die beim Übergang von einem Medium zu einem anderen Medium gebrochenen oder die von einem Objekt reflektierten elektromagnetischen Strahlen – von uns wahrgenommen werden, müssen sie auf unsere Netzhaut (Retina) treffen. Diese liegt am hinteren Ende unserer Augen. Die elektromagnetischen Strahlen werden von spezialisierten lichtempfindlichen Nervenzellen in der Retina, den sogenannten Photorezeptoren, aufgenommen und in elektrische Signale umgewandelt (transduziert). Diese Signale werden anschließend in der Retina durch nachgeschaltete Nervenzellen weiterverarbeitet und letztendlich über den Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. Die Wahrnehmung der Farbe entsteht erst im Gehirn.

Aber wie erkennt nun unser Auge Farben? Wir haben insgesamt zwei verschiedene Arten von Photorezeptoren, nämlich die Stäbchen und die Zapfen. Stäbchen und Zapfen sind dicht gepackt über die gesamte Retina verteilt, sodass jeder Mensch etwa 120 Millionen Stäbchen und 6 Millionen Zapfen pro Auge besitzt.

Die lichtempfindlichen Photorezeptoren in der Retina.
Die lichtempfindlichen Photorezeptoren in der Retina
Foto: Hanna Regus-Leidig

Die Zapfen ermöglichen uns das Farbensehen. Von ihnen haben wir Menschen (im Normalfall) drei verschiedene Typen, weshalb wir auch als Trichromaten [aus dem Griech. für tria chromos = drei Farben] bezeichnet werden. Die drei Zapfentypen heißen

  • Rotzapfen (auch: L-Zapfen, wobei das „L“ für langwelliges Licht, bzw. long-wavelength steht),

  • Grünzapfen (auch: M-Zapfen, wobei das „M“ für mittelwelliges Licht, bzw. middle-wavelength steht) und

  • Blauzapfen (auch: S-Zapfen, wobei das „S“ für kurzwelliges Licht, bzw. short-wavelength steht).

Die Bezeichnungen lassen es bereits vermuten: Jeder Zapfentyp wird vor allem von einem ganz bestimmten Wellenlängenbereich, also von ganz bestimmten Farben, gereizt. Der Grund dafür liegt in kleinen, aber feinen Unterschieden im Sehpigment der Zapfen, den sogenannten Opsinen: Rotzapfen besitzen eine bestimmte Variante des Opsins, die vor allem auf den roten Bereich des Farbspektrums reagiert, Grünzapfen eine Opsinvariante, die besonders auf den grünen Bereich des Farbspektrums reagiert, usw.

Spektrale Empfindlichkeit der drei Zapfentypen des Menschen.
Spektrale Empfindlichkeit der drei Zapfentypen des Menschen
Foto: Thomas Vogel

Die Zusammensetzung der auf unsere Retina treffenden elektromagnetischen Strahlung bestimmt, in welchem Maße jeder der drei Zapfentypen gereizt wird. Dieses Reizverhältnis wiederum bestimmt, welche Farbe wir wahrnehmen. Alle von uns wahrgenommenen Farben werden also durch verschiedene Reizkombinationen unserer Rot-, Grün- und Blauzapfen, bzw. durch den Vergleich der unterschiedlichen Zapfensignale hervorgerufen.

Übrigens: Werden alle drei Zapfentypen gleichermaßen gereizt, entsteht der Farbeindruck „Weiß“. Schnee z.B. sieht für uns weiß aus, weil die Schneekristalle sämtliche Wellenlängen des auftreffenden Sonnenlichts reflektieren und damit alle Zapfentypen gleich stark gereizt werden. Die Abwesenheit jeglicher elektromagnetischen Strahlung, die auf die Retina trifft, ergibt hingegen den Farbeindruck „Schwarz“. Ein schwarzer Gegenstand sieht deshalb schwarz für uns aus, weil er alle Wellenlängen des für uns sichtbaren Lichts absorbiert und nur sehr wenig reflektiert, was auf unser Auge treffen könnte.

Warum sehen wir nachts keine Farben?

Es ist dir vielleicht schon aufgefallen, dass nachts die Welt grau erscheint und du so gut wie keine Farben siehst. Das liegt daran, dass die fürs Farbensehen zuständigen Zapfen nicht empfindlich genug sind – sie reagieren einfach nicht auf zu schwaches Licht. Nachts und in der Dämmerung sehen wir stattdessen mit den Stäbchen; diese enthalten das Sehpigment Rhodopsin und reagieren sehr empfindlich auf Licht. Das heißt, sie werden auch durch extrem schwaches Licht gereizt und ermöglichen uns das Sehen unter schlechten Lichtbedingungen (skotopisches Sehen) [1] . Allerdings können wir mit nur einem Photorezeptortyp lediglich die An- oder Abwesenheit von Licht in unterschiedlichen Stärken an das Gehirn weiterleiten, so dass wir nachts nur unterschiedliche Graustufen wahrnehmen.

Vielleicht hast du auch schonmal bemerkt, dass ein Stern am Nachthimmel immer dann, wenn du ihn genau fokussieren möchtest, verschwindet und erst wieder auftaucht, wenn du leicht an ihm vorbeischaust? Auch das liegt an den Eigenschaften unserer Retina. Weil wir Menschen „tagaktiv“ sind, ist unsere Retina auch auf das Sehen am Tag spezialisiert. Daher besitzen wir unter anderen Anpassungen an der Stelle der Retina, mit der wir unsere Umgebung am schärfsten sehen müssen, ausschließlich Zapfen und überhaupt keine Stäbchen! Diese Stelle heißt Fovea centralis und ist sozusagen das Zentrum des scharfen und farbigen Sehens. Da unsere Zapfen allerdings nicht sehr lichtempfindlich sind, sind wir im Dunkeln an dieser Stelle praktisch „blind“ – zumindest für sehr schwaches Licht wie das der Sterne.

Über Hanna Regus-Leidig

Hanna Regus-Leidig engagiert sich seit Anfang 2023 aktiv im Interessenverband der Farbsehschwachen und Farbenblinden. Sie ist promovierte (Neuro)-Biologin, auf das Thema Netzhaut spezialisiert und deuteranop. Daher kennt sie die Probleme von Farbfehlsichtigen aus eigener Erfahrung. Zusammen mit ihrem Mann lektoriert und übersetzt sie in ihrer Freizeit Spiele für die B-Rex Entertainment Verlagsgruppe, die über die Crowdfunding-Plattform „Spieleschmiede“ ausländische Spiele lokalisiert und mittlerweile auch Eigenentwicklungen produziert. Dabei achtet sie bei ihren Projekten immer besonders darauf, diese farbenblindengerecht zu optimieren.