Die Farbsehschwäche oder die Farbenblindheit sind bis aus wenige Fälle erblich bedingt und betreffen uns von Geburt an. Sie tritt in unterschiedlichen Ausführungen auf und wird über die Chromosomen der Mutter vererbt. Wir klären zu den Hintergründen auf.
Farbenblindheit
Für unsere Farbwahrnehmung sind die drei Zapfen-Zelltypen auf der Makula im Zentrum der Netzhaut verantwortlich. Einer dieser Zelltypen reagiert auf langwelliges Licht (rot) und der zweite vor allem auf mittelwelliges (grün). Die dritten Zapfenzellen wiederum reagieren besonders auf kurzwelliges Licht, also Blau.
Bei der erblichen Farbenblindheit fehlen diese Zapfen komplett oder teilweise. Statt der Zapfen sind bei den Betroffenen nur die Stäbchen vorhanden, das sind die lichtempfindlichen Zellen des Auges. Somit können komplett Farbenblinde (ganz ohne Zapfen, Achromasie) nur Dunkel-Hell-Kontraste wahrnehmen und sehen nur grau, weiß und schwarz. Bei diesem sehr seltenen Krankheitsbild kommen weitere Einschränkungen des Sehvermögens hinzu.
Am meisten verbreitet ist die partielle Farbenblindheit, bei der nur ein oder zwei Zapfen-Zelltypen fehlen. Dadurch ist das Farbsehen immerhin eingeschränkt möglich. Farbenblindheit lässt sich demnach wie folgt unterscheiden:
Achromasie (auch: Achromatopsie): keine funktionierenden Zapfenzellen. Diese komplette Farbenblindheit gilt als Behinderung und betrifft einen von 30.000 Menschen. In Deutschland sind davon also ca. 2.800 Menschen betroffen.
Dichromasie (auch: Dichromatopsie): zwei funktionierende Zapfenzellen, man ist also nur für eine Farbe blind. Das häufig auftretende dichromatische Sehen hängt ab vom fehlenden Zapfentyp und verteilt sich in seiner Häufigkeit wie folgt:
Rotblindheit (Protanopie): fehlende Rot-Zapfen, man ist farbenblind für rot. Betroffen sind 1,0 % der Männer und 0,02 bis 0,03 % der Frauen.
Grünblindheit (Deuteranopie): fehlende Grün-Zapfen, man ist farbenblind für grün. Betroffen sind 1,0 bis 1,3 % der Männer und etwa 0,01 bis 0,02 % der Frauen
Blaublindheit (Tritanopie): fehlende Blau-Zapfen, man ist farbenblind für blau. Die Häufigkeit der Blaublindheit ist sehr gering und wird mit ca. 1 : 50.000 angegeben. Sie wird eher erworben, als ererbt und kommt daher bei Männern und Frauen gleich oft vor. Die Betroffenen können die Farbe Blau nicht erkennen und haben zudem Schwierigkeiten mit der Farbe Gelb. Man spricht daher hier auch von der Blau-Gelb-Sehschwäche. Außerdem ist hier die Sehschärfe meist stark verringert.
Monochromasie (auch: Monochromatopsie): ein funktionierenden Typ von Zapfen-Zellen. Auch die Blauzapfen-Monochromasie ist sehr selten und tritt nur bei einem von 100.000 Menschen auf. Es besteht eine gleichzeitige Rot- und Grünblindheit, jedoch eine Restsichtigkeit im Blaubereich.
Farbsehschwäche
Bei Farbsehschwachen sind die Zapfen für die Wahrnehmung von Rot-, Grün,- und Blautönen vorhanden, mindestens einer davon funktioniert aber nicht einwandfrei. Meistens sind die Farben rot oder grün betroffen. Diese Farben werden von Farbsinnschwachen allenfalls erkannt, wenn sie sehr kräftig dargestellt werden. Andere Farben können wiederum weitgehend problemlos wahrgenommen und unterschieden werden. Die Formen dieser Funktionseinschränkung sind die
Rot-Sehschwäche (Protanomalie) defekte Rot-Zapfen, man ist farbensinnschwach für rot
Grün-Sehschwäche (Deuteranomalie): defekte Grün-Zapfen, man ist farbensinnschwach für grün
Diese beiden Einschränkungen werden zusammenfassend auch als als Rot-Grün-Sehschwäche bezeichnet. Ebenso gibt es die seltene
Rot-Blau-Sehschwäche (Tritanomalie): defekte Blau-Zapfen, man ist farbensinnschwach für blau und gelb. Von der im Regelfall erworbenen Tritanomalie sind Männer und Frauen etwa gleich, zu 0,005 % betroffen.
Die Rot-Grün-Sehschwäche ist für Betroffene von der Rotblindheit und der Grünblindheit schwer zu unterscheiden. Ein Besuch beim hierfür spezialisierten Augenarzt ist immer hilfreich und kann an dieser Stelle Klarheit schaffen. Gleichwohl ist eine Heilung der Farbensehschwäche und -blindheit nicht möglich. Ohne Therapiemöglichkeit tritt der Sinn einer Diagnose in den Hintergrund.
Hilfreich sind mehr Bewusstsein und ein empathischer Umgang. Ein inklusives Leben in unserem bunten und farb-codierten Alltag ist auch für Menschen mit Farbsinn-Störungen möglich, aber es ist noch ein langer Weg. Etwa 8 Prozent der Männer und weniger als 1 % der Frauen haben eine Rot-Grün-Sehschwäche. Unser Verband konzentriert sich in seiner Arbeit auf die drei Formen, die 99 % der Farbsinn-Störungen ausmachen: Die Rot-Grün-Sehschwäche (Protanomalie und Deuteranomalie), die Rotblindheit (Protanopie) und die Grünblindheit (Deuteranopie).An
Chromosomen und Vererbung
Jeder Mensch sieht Farben anders, das gilt auch für uns von Farbsinn-Störungen Betroffene. Dabei handelt es sich zumeist um eine erbliche Anomalie der Makula, dem gelben Fleck auf der Netzhaut, die weder heil- noch korrigierbar ist.
Männer besitzen ein X- und ein Y-Chromosom (XY), Frauen hingegen zwei X-Chromosomen (XX). Das X-Chromosom ist der eigentliche Träger von Erbinformationen. Es trägt zehnmal so viele Gene, als das Y-Chromosom. Somit hat es deutlich mehr Einfluss auf die genetische Ausstattung und Vererbung.
Gendefekte, die sich auf einem X-Chromosom befinden, können durch das zweite X-Chromosom ausgeglichen werden. Das haben nur Frauen, Männern fehlt eben dieses zweite X-Chromosom, sie haben das erbgutfreie Y-Chromosom.
Eine Farbsinn-Störung tritt bei Frauen erst dann auf, wenn das entsprechende Gen auch auf dem zweiten X-Chromosomen defekt ist. Erbkrankheiten wie die Farbenblindheit oder die Farbsehschwäche treten daher bei Frauen viel seltener auf, als bei Männern.
Auch beim Thema der Vererbung sind die Chromosomen entscheidend. Die Gene für die Zapfen des Auges liegen auf dem X-Chromosom, die Farbsinn-Störung ist X-chromosomal rezessiv ("überdeckbar") vererbbar. Die Weitergabe des Gendefekts kann also erfolgen, ohne dass die Krankheit bei den Eltern bestehen würde, sie überdeckt wird.
Die Vererbung eines Gendefekts erfolgt über die Mutter, wenn bei ihr (mindestens) einer der beiden X-Chromosomen defekt ist. Die Kinder erhalten also mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit entweder das defekte oder das intakte X-Chromosom von der Mutter. Der Sohn (XY) wird die Farbfehlsichtigkeit ausleben. Die Tochter (XX) kann den Defekt dank ihres zweiten X-Chromosomens ausgleichen, die rezessive Erbfolge. Sie trägt das mutierte Gen in ihrem Erbgut und kann es wiederum mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit an ihre Kinder weitergeben, ohne das sie selbst die Farbsinn-Störung entwickelt hätte.
Betroffene können das oft in der eigenen Familie nachvollziehen, wenn der Onkel (Bruder der Mutter) und/oder der Opa (Vater der Mutter) und/oder der Großonkel (Bruder der Oma) die gleiche Erbkrankheit haben.
Frauen sind also im Regelfall nicht betroffen, können die Krankheit aber mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit weiter geben. Wenn ihr Bruder oder Onkel (Bruder der Mutter) betroffen sind, kann sie davon ausgehen, dass sie den Gendefekt in sich trägt. Ihre Söhne werden das Krankheitsbild mit hoher Wahrscheinlichkeit erleben, ihre Töchter behalten den Gendefekt still in sich und können ihn wiederum an ihre eigenen Kinder weiter geben.
Wie kommt es nun in der Vererbungs-Theorie zum Phänomen farbsehschwacher Frauen? Das passiert, wenn die Mutter selbst den Gendefekt auf beiden X-Chromosomen trägt, also selbst auslebt. Oder - viel häufiger - nur auf einem der beiden X-Chromosomen, aber der Vater (ihr Mann) auch betroffen ist. Da der Vater die Farbsehschwäche ja auslebt, könnte man mutmaßen, das die Vererbung von ihm weiter gegeben wurde. Aber sie stammt dann viel mehr in gleichem Maße wieder von der Mutter.
Wenn der Gendefekt in der Familie bekannt ist, sollte man die Söhne schon im Kindesalter mit spielerischen Mitteln auf eine Farbsinn-Störung testen. Somit ebnet man den Weg für ein empathisches Miteinander und einen unbeschwerten Umgang mit Farben.
Erworbene Farbenblindheit
Die Farbsehschwäche ist immer angeboren, also vererbt. Eine Farbenblindheit kann jedoch auch im Laufe des Lebens erworben werden. Dann liegt die Störung bei der Farbverarbeitung im Gehirn, nicht an den Zapfen des Auges. Über die Augen werden die Farbeindrücke korrekt aufgenommen, das Gehirn kann die Farben jedoch nicht mehr richtig verarbeiten und darstellen. Bei der erworbenen Farbenblindheit kann auch nur ein Auge betroffen sein. Sie betrifft Männer und Frauen in gleichem Maße.
Mögliche Auslöser sind zum Beispiel:
Erkrankungen der Netzhaut (Makuladegeneration, diabetische Retinopathie)
Ein Tumor, der auf den Sehnerv drückt
Erkrankungen der Augen oder des Sehnervs (Grauer Star, Grüner Star)
Schlaganfall
Schädel-Hirn-Verletzungen
Vergiftungen
Mischtöne
Man spricht im Zusammenhang mit unseren Problemen viel von den Farben Rot, Grün und manchmal auch von Blau. Dabei sind diese Grundfarben das kleinste Übel für uns! Es sind vielmehr die Mischtöne, die von uns in anderen Grundfarben-Mischungen wahrgenommen werden.
Eine für uns sehr schwierige Farbe ist Braun. Sie hat weder eine physikalisch Wellenlänge, noch kommt sie im Regenbogen vor. Sie entsteht vielmehr im Kopf der Normal-Farbsichtigen. Deren Gehirn mischt die unterschiedlichen Signale der drei Farbrezeptoren zusammen und definiert diesen Mix dann als Braun. Das sind Prozesse im Kopf, die bei uns dank fehlender oder defekter Zapfen nicht stattfinden. Wir stehen ratlos vor dieser Farbe und müssen sie von anderen unterscheiden können. Meistens kommt es zu Verwechslungen von Braun mit Rot, Grün oder Grau.
Anders erklärt: Rotblinden (Protanopen) fehlen die Zapfen für den langwelligen Lichtbereich, also der für Rot. Daher können sie sämtliche Farben im Rotbereich schlechter unterscheiden und Rot und Grün, Rot mit Gelb und Braun mit Grün verwechseln.
Weitere, schwer unterscheidbare Farben und Farbtöne sind Violett, Orange, Gelb, Lila, Türkis, Grau und Anthrazit. Das hängt immer von der jeweiligen Ausprägung der Farbsinn-Störung ab. Gleichwohl können klare Empfehlungen gegeben werden, welche Farben für 99,9 % der Menschen klar voneinander zu unterscheiden sind. Es kommt darauf an, das auch anzuwenden - im Sport, in der Industrie, bei Grafiken, bei Webdesigns und vielem mehr.