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Foto einer Bibliothek Foto: unsplash.com/Susan Q Yin

Drei Regeln zum Farbsehschwäche-gerechten Gestalten

Der Verband der Farbsehschwachen und Farbenblinden hat sich als sein viertes Ziel „Inklusivere Lösungen für Farbsehschwache, Farbenblinde und Normalfarbsichtige erarbeiten“ gesetzt. Bevor jedoch Lösungen für individuelle Probleme konzipiert werden, ist es sinnvoll, grundlegende Regeln zu definieren. Dies möchte der IFFarb hiermit erreichen.

Ziele der Regeln

Zweck der Regeln ist, dass diese nach Möglichkeit universell anwendbar sind. Die Regeln sind so allgemein formuliert, dass sie verständlich, aber noch nicht auf einen Anwendungsfall zugeschnitten sind.

Neben der Universalität in der Anwendung müssen die Regeln so gestaltet, dass sie für alle Varianten von Farbsehschwächen und Farbenblindheit eine Verbesserung mit sich bringen. Keine Form soll hier ausgeschlossen werden, insbesondere nicht die vollständige Farbenblindheit (Achromatopsie).

Die Regeln sollen inklusiv sein, also auch für Normalfarbsichtige keinen Nachteil darstellen. Im Idealfall bemerken Normalfarbsichtige nicht einmal, dass die jeweilige Lösung für farbsehschwache und farbenblinde Menschen eine Verbesserung darstellt und profitieren womöglich sogar von ihr.

Die drei Regeln zum Farbsehschwäche-gerechten Gestalten

  1. Symbole statt Farben
    Verwende Symbole und Zeichen vorrangig vor Farben, um Inhalte oder Objekte zu beschreiben

  2. Helligkeitskontrast statt Farbkontrast
    Verwende Farbkombinationen, die sich in der Helligkeit ausreichend voneinander unterscheiden

  3. Eindeutige Farbbeschreibungen
    Verwende eindeutige und nachvollziehbare Farbbeschreibungen

Symbole statt Farben

Verwende Symbole und Zeichen vorrangig vor Farben, um Inhalte oder Objekte zu beschreiben.

Symbole – im Sinne von Semiotik [1] bzw. Zeichentheorie – werden benutzt, um Inhalte oder Objekte eindeutig zu beschreiben. Die Entwicklung und Nutzung von Symbolen und Zeichen wird als Voraussetzung für den Erkenntnisgewinn überhaupt angesehen [2] .

Die vorrangige Eigenschaft von Symbolen ist ihre geometrische Eindeutigkeit. Sie funktionieren daher weitestgehend unabhängig von der Farbgestaltung, sofern sie über den Helligkeitskontrast eindeutig zu erkennen sind.

Wenn also wichtige Informationen vermittelt werden sollen, funktioniert das für Farbsehschwache und Farbenblinde am besten über eindeutige Symbole und Zeichen. Nicht nur, weil viele Farbkombinationen bei Farbsehstörungen nicht unterscheidbar sind, sondern auch, weil Farbsehschwache und Farbenblinde erfahrungsgemäß eher in Formen als in Farben denken. Auf Farben muss dabei nicht verzichtet werden, solange ebendiese mit den entsprechenden Symbolen kombiniert werden.

Beispiele für Farbsehschwächen-gerechtes Design mithilfe von Symbolen

Das naheliegendste Beispiel für Symbole sind Buchstaben, Zahlen und Schriftzeichen allgemein. Es fallen aber auch universelle Symbole darunter, wie sie zum Beispiel auf Fernbedienungen oder anderen Handbediengeräten zu finden sind. Ein/Aus-Taster, Lautstärkeregler, Abspiel-, Stopp- und Pausentaster werden weltweit verstanden und sind auch in einer internationalen Norm [3] geregelt. Auch außerhalb von Normen finden sich eindeutige Zeichen. So sind zum Beispiel Controller aller wichtigen Spielekonsolen symbolkodiert.

Auch Verkehrszeichen stellen kein Problem für Farbsehschwache und Farbenblinde dar, obwohl hier Farben verwendet werden. Farben werden nicht als primäres Unterscheidungsmerkmal benutzt und es gibt in den Verkehrszeichenkatalogen [4] keine Zeichen, die sich ausschließlich durch die eingesetzte Farbe unterscheiden.

Technische Zeichnungen kommen ausschließlich mit schwarz-weißen Darstellungen aus. Sämtliche technischen Merkmale sind hier über Symbole dargestellt und somit auch sprachenunabhängig verständlich. In Schnittdarstellungen sind die unterschiedlichen Materialien an der Schraffur [5] zu erkennen. Für jede technische Disziplin gibt es ebensolche Symbolkataloge. Exemplarisch seien hier bautechnische Zeichnungen [6] und geologische Informationskarten [7] genannt.

Als weiteres Beispiel können auch die etablierten Spielkarten genannt werden. Sowohl das französische als auch das deutsche Blatt sind primär über Symbole unterscheidbar. Beim französischen Blatt ist dies sogar zwingend notwendig, da hier nur zwei verschiedene Farben verwendet werden. Das Brettspiel Monopoly hat vor mehreren Jahren von farbkodierten Spielfiguren auf formkodierte – im weiteren Sinne räumliche Symbole – umgestellt.

Quellen für Symbole

Helligkeitskontrast statt Farbkontrast

Verwende Farbkombinationen, die sich in der Helligkeit ausreichend voneinander unterscheiden.

Wenn Symbole zur Unterscheidung nicht in Frage kommen, zum Beispiel bei Farbflächen, müssen sich die Farben im Helligkeitskontrast voneinander unterscheiden. Farbkontrast ist hier nicht ausreichend. Als Hilfsmittel kann die Schwarz-Weiß- bzw. Graustufendarstellung herangezogen werden. Ist es in einer Graustufendarstellung unterscheidbar, dann ist das Helligkeits-Kontrastverhältnis ausreichend.

Die Helligkeitswahrnehmung funktioniert im menschlichen Auge unabhängig von der Farbwahrnehmung, auch bei Farbsehschwachen und Farbenblinden. Unter Tageslichtbedingungen können die hochempfindlichen Stäbchen keine Informationen zu Helligkeitsunterschieden mehr übermitteln. Stattdessen übernehmen dann die weniger empfindlichen Zapfen, die dem Gehirn außerdem Informationen über Farbton, Farbsättigung und Farbhelligkeit ermöglichen. Während zur Ermittlung des Farbtons der Vergleich der relativen Reizung aller drei Zapfentypen notwendig ist, entstehen die Eindrücke Grau bis Weiß durch eine gleichmäßige Reizung aller Zapfentypen und die Helligkeit einer Farbe ist abhängig davon, wie stark die Zapfen gereizt werden. Für die Information „alle Zapfentypen werden gleich stark gereizt“ und auch für die Wahrnehmung eines schwachen oder eines starken Reizes ist es egal, ob jemand nur einen, zwei oder drei verschiedene Zapfentypen besitzt oder sich die Absorptionsspektren von zwei Zapfentypen durch einen Gendefekt stark überlappen.

Farben können in unterschiedlichen Farbräumen beschrieben werden. Standardmäßig bei Bildschirmanwendungen ist das RGB-System, also die Definition über die Helligkeitsanteile von Rot, Grün und Blau. Alternativ dazu kann auch das HSL/HSV-System herangezogen werden. Hier wird die Farbe über den Farbwinkel, die Sättigung und Helligkeit beschrieben. Der Helligkeitskontrast kann hier direkt über die Helligkeitsinformation ermittelt werden.

Beispiele für Farbsehschwächen-gerechtes Design mittels Helligkeitskontrast

Digitale Inhalte sind heute sehr weit verbreitet und deren Bedeutung wird in Zukunft noch weiter zunehmen. Eine der wichtigsten Vereinigungen zum Thema digitale Inhalte ist das World Wide Web Consortium [8] . Diese Vereinigung hat einen umfangreichen Katalog an Standards [9] veröffentlicht, um die Zugänglichkeit zum Web und dessen Inhalten für alle Personengruppen, auch solche mit körperlichen Einschränkungen und insbesondere Einschränkungen der Sehfähigkeit, zu ermöglichen. Für Farbsehstörungen ist besonders der Teil 1.4.3 Contrast minimum [10] interessant. Hier werden für verschiedene Anwendungsfälle minimale Helligkeitskontrastverhältnisse definiert. Diese Werte sind grundsätzlich für alle digitalen Inhalte und Bildschirmanwendungen nutzbar. Auch für Druckerzeugnisse auf Basis des CMYK-Farbsystems gibt es solche Helligkeitskontrastempfehlungen [11] .

Werden mehrere Farben benötigt, dann sind diese nach Möglichkeit so zu wählen, dass die Einzelfarben einen ausreichenden Helligkeitskontrast zueinander haben. Dieser lässt sich einfach durch Kontrastrechner-Werkzeuge [12] ermitteln. Auch der quasi Standardhersteller für Grafik-, Medien- und Webdesign Adobe Tools [13] zur Farbauswahl an, womit der Aspekt des Helligkeitskontrasts berücksichtigt werden kann.

Speziell in der Wissenschaftskommunikation, aber auch bei Bilanzierungen und allen Fällen, bei denen Daten durch Diagramme und Charts dargestellt werden, ist die vorgenannte Regel bezüglich des Helligkeitskontrast anwendbar [14] [15] . Bei der in der Wissenschaft beliebten Falschfarbdarstellung, also der Nachkolorierung von reinen Intensitätsdarstellungen (de facto S/W-Darstellungen) ist es angezeigt, die vorherige Helligkeitsverteilung nicht zu verfälschen. In der Vergangenheit waren Falschfarbdarstellungen verbreitet, die dieses Kriterium nicht erfüllt haben. Auch hier gibt es mittlerweile umfangreiche Toolsammlungen [16] , die genau diese Problemstellung [17] adressieren.

Bei Mannschaftssportarten ist es wichtig, die Mitglieder der verschiedenen Teams zu unterscheiden. Speziell bei solchen, wo es zu einer Durchmischung auf dem Spielfeld kommt. Hierzu gehören die weltweit populärsten Sportarten wie Fußball, Basketball, Eishockey, American Football und auch Handball. Je höher die Spielgeschwindigkeit, desto wichtiger werden eindeutige Unterscheidungskriterien der Mannschaften. Sowohl im Eishockey [18] als auch im Basketball [19] gibt es hierzu eindeutige Regeln bezüglich der Trikotauswahl der gegnerischen Teams. Diese lassen sich zu „Ein Team spielt in hellen Trikots, das andere in dunklen Trikots“ zusammenfassen.

Quellen für Helligkeitskontrastverhältnistools

Eindeutige Farbbeschreibungen

Verwende eindeutige und nachvollziehbare Farbbeschreibungen.

Oft ist die Farbe als solche von Interesse, wie zum Beispiel bei Malfarben, Mode oder Fahrzeuglackierungen. In diesem Fall muss die Farbe eindeutig und nachvollziehbar beschrieben werden.

Eindeutigkeit wird erreicht, wenn zu jeder Farbe und deren Abstufungen ein Name oder eine Farbnummer zugeordnet werden kann. Nachvollziehbarkeit wird erreicht, wenn ersichtlich ist, aus welchem Farbkatalog die Farbnummer bzw. -bezeichnung stammt.

Wenn mit allgemeinen Farbnamen, die nicht aus einem spezifischen Farbkatalog stammen, gearbeitet wird, sollte der Farbname einen eindeutigen Bezug auf einen bekannten Farbnamen nehmen. Kunstnamen sind nicht hilfreich, da die eindeutige Zuordnung zu einer definierten Farbe fehlt.

Beispiele für Farbsehschwächen-gerechtes Design mittels Farbbeschreibungen

Die wohl originärste Farbbeschreibung ist die über das farbgebende Pigment [20] . Die Möglichkeit, Farbpigmente zu synthetisieren, existiert erst seit der modernen Chemie. Davor war man auf natürliche Pigmente angewiesen, wodurch man in der Farbauswahl eingeschränkt war. Daher stammen auch solche Farbnamen wie Indigogelb, Purpur, Bleiweiß und Kobaltblau, wodurch sich der Farbname eindeutig einer Substanz zuordnen lässt.

Je nach Farbsystem sind auch die Grundfarbnamen eindeutig. Darauf setzt das System ColorADD [21] , das den Grundfarben Rot, Gelb und Blau jeweils ein eindeutiges Symbol zuordnet. Diese Symbole können kombiniert werden. Zusätzlich gibt es jeweils ein Symbol für Schwarz, Weiß, Hell, Dunkel und Metall. Es stehen insgesamt 50 verschiedene Symbole für die Farbbeschreibung zur Verfügung.

Zusätzlich gibt es mehrere Normen und auch Herstellerkataloge für Farben. In Deutschland ist für technische Anwendungen vor allem das RAL-Farbsystem [22] gebräuchlich, das über 200 Farbtöne umfasst. Die eindeutige Farbbezeichnung ist dabei über eine RAL-Nummer definiert. Auch HKS [23] bietet ein Farbsystem an, das vor allem für Kunst- und Druckfarben entwickelt wurde. International sind auch der Pantonekatalog [24] und der FED/AMS-Standard 595 [25] etabliert.

Hilfreich ist es für Farbsehschwache und Farbenblinde, wenn auf der zu verwendenden Farbe auch eindeutig der Farbname angebracht ist. Dies trifft für Wand-, Künstler- und Modellbaufarben zu, aber auch zum Beispiel für Filz- und Buntstifte, wobei dies für die beiden letztgenannten Anwendungsfälle kaum umgesetzt wird.

Für Bildschirmanwendungen ist der W3C-Farbkatalog [26] etabliert. Hier ist jedem Farbnamen ein RGB-Wert zugeordnet und dieser somit eindeutig. Es ist auch in den Webstandards vorgesehen, dass anstatt eines RGB-Werts der Farbname angegeben werden kann und dieser direkt dargestellt wird.

Wichtig werden eindeutige Farbbeschreibungen auch, wenn es um die Vermarktung von Konsumgütern geht, für welche die Farbgestaltung relevant ist. Als Beispiele seien hier Mode und Fahrzeuge genannt – die Liste lässt sich aber beliebig erweitern. Hier sind eindeutige Farbbeschreibungen für Farbsehschwache und Farbenblinde sehr hilfreich, da sonst aus Unsicherheit auf den Erwerb verzichtet werden könnte. Nahezu jeder farbsehschwache und farbenblinde Mensch kann Anekdoten aus dem Leben erzählen, wo es zu „Fehlkäufen“ oder „Fehlgriffen“ bei der Farbkombination mit anderen Kleidungsstücken gekommen ist. Daher sind Kunstwörter ohne mindestens einen eindeutigen Verweis auf eine bekannte Farbe hinderlich.

Quellen für eindeutige Farbbeschreibungen

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Thomas Vogel stieß kurz nach der Gründung von Farbsehschwaeche.de dazu. Im normalen Leben ist er Ingenieur, wohnt ihn Herzogenaurach und möchte aktiv daran mitwirken, dass die Erfordernisse von Farbsehschwachen im täglichen Leben berücksichtigt werden. Bevor er in die Industrie wechselte, war er an der "Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies" und kennt sich daher ein bisschen mit den physikalischen Hintergründen aus.

Markus Stahmann ist einer der Gründer von Farbsehschwaeche.de. Der Webentwickler aus Oldenburg möchte mit der Plattform für mehr Bewusstsein für die Problematik werben und das Thema mehr der Öffentlichkeit präsentieren.