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Foto: Screenshot macOS/Apple

Barrierefreiheits-Assistenten für Farbsehschwäche

Viele Betriebssysteme, Programme und Videospiele bringen heute Einstellungen für die Zugänglichkeit mit. Oft können Einstellungen für Farbsehschwächen vorgenommen werden. Ein Erfahrungsbericht zu Problemen und Nutzen.

Erfreulicherweise bringen immer mehr Websites, Software und Spiele Optionen für die Barrierefreiheit mit. So können oft Einstellungen für Farbenblindheit oder Farbsehschwäche vorgenommen werden.

Die großen Betriebssysteme von Apple und Microsoft bieten in den Bedienungshilfen (Apple) und in der erleichterten Bedienung (Microsoft) die Möglichkeit einen Farbfilter zu aktivieren. Dieser soll die Farbsehschwäche ausgleichen.

Aktivierter Farbfilter in Apples macOS. Die Farben werden getauscht.

Getauschte Farben und angepasster Kontrast

Die Herangehensweise ist unterschiedlich: Während Apple zum Beispiele problematische Farben tauscht, ändert Microsoft den Kontrast.

Das Tauschen der Farben sorgt dafür, dass mitunter Fotos und Bedienelemente seltsam aussehen und z. B. Gesichter einen Blaustich erhalten oder komplett blau erscheinen. Programme und andere Bedienelemente sind mitunter nicht mehr sofort zu erkennen, wenn Betroffene jahrelang die bisherige Optik gewöhnt sind.

Diese Methode funktioniert in der Regel nur, wenn möglicherweise Diagramme und Grafiken Farbfehlsichtige vor Herausforderungen und Probleme stellen. Durch den Farbtausch können sie dann problemlos benutzt werden.

Der angepasste Kontrast wirkt in der Regel natürlicher und ermöglicht ebenfalls die Unterscheidung von problematischen Farben. Die Unterschiede zur normalen Farbdarstellung sind nicht so gravierend und wirken alles in allem natürlicher.

Je nach Anwendungsfall kann es hier durchaus eine Erleichterung sein, aber auch nicht in jeden Fall, sodass in unserem Fall der Filter nur nach Bedarf genutzt wird.

Auch auf Websites finden solche Einstellungsoptionen vermehrt Einzug. Die Funktionsweise ist hier analog zum oben genannten. Allerdings sind solche Werkzeuge nicht unproblematisch.

Oft kommen sie als eigene Overlays daher, was problematisch aus Sicht der Barrierefreiheit ist. In der Gestaltung sollten die Anforderungen aus den “Web Content Accessibility Guidelines” des World Wide Web Consortiums (W3C) umgesetzt werden. Diese besagen, dass Farbe nie alleine stehen sollte und für Texte und Inhaltselemente ein Mindest-Kontrastverhältnis vorliegen muss. Auf diesen Empfehlungen beziehen wir uns ebenfalls in unseren drei Regeln zum Farbsehschwäche-gerechten Gestalten.

Bedürfnisse Farbenblinder nicht immer berücksichtigt

Ferner bergen solche Werkzeuge die Gefahr, dass die Anbietenden von den Werkzeugen sich in einer falschen Sicherheit wiegen, die Bedürfnisse von farbsehschwachen und farbenblinden Menschen zu berücksichtigen. Beispielsweise sind Werkzeuge nicht hilfreich, wenn sie auf der Website, die von Haus aus keinerlei Probleme bereitet, eingesetzt werden, aber auf Unterseiten oder in Anwendungen, die Betroffene vor Probleme stellen, nicht verfügbar sind.

Welche Farbe haben meine Augen? Farbsehschwache können bei ihrer "Volta"-Spielfigur in FIFA 23 nur raten.
Foto: Screenshot FIFA 23 / EA Sports

Oft fehlen simple Angaben wie der Name einer Farbe, die durch Werkzeuge nicht ersichtlich werden. In einem Videospiel nutzen so zum Beispiel geänderte Farben oder Symbole nur bedingt etwas, wenn der Name der Haarfarbe oder die Farbe der Kleidung bei der Erstellung des Spielcharakters fehlen.

Unterstützungsoptionen oft unbekannt

Die Benamung solcher Assistenten ist in vielen Fällen nicht unproblematisch. In Apples Bedienungshilfen sind die Einstellungen im Punkt Farbfilter bei der Anzeige über die Systemeinstellungen zu finden. Das ist nicht sofort ersichtlich und Betroffene erkennen erst spät, dass es sich um Farbsehschwächen oder Farbenblindheit handelt. Der direkte Bezug zum Thema fehlt hier außerdem.

Unter Windows muss man zunächst in der Systemsteuerung suchen und findet dann den Punkt Farbfilter in der erleichterten Bedienung. Hier wird immerhin schneller ersichtlich, dass es sich um Einstellungen für Farbfehlsichtigkeiten handelt.

Die Lösungen setzen aber immer voraus, dass Betroffene ihre Art der Farbsinnstörung kennen – und das ist bei den wenigsten der Fall. Hier muss damit gerechnet werden, dass nicht sofort klar ist, welcher Filter für mich der richtige ist.

Gute Ansätze bei der Videospielindustrie

Erfreulicherweise zeigt sich seit einigen Jahren ein Trend, dass in der Videospieleindustrie ein Bewusstsein für Zugänglichkeit steigt. Viele Spiele bieten die Optionen Schriftgrößen einzustellen oder sogar eine Gebärdensprachdolmetschung im Spiel anzuzeigen.

Für Farbenblindheit gibt es ebenfalls in vielen Spielen Einstellungsmöglichkeiten. Die Auswirkungen sind hier ganz unterschiedlich: Das Fußballspiel FIFA zum Beispiel legt einen Filter über das gesamte Spiel, was nur bedingt hilfreich ist. Im Landwirtschafts-Simulator werden Farben für Wachstum und Getreideart in der Kartenübersicht angepasst, sodass diese Informationen erkenntlich werden.

Besser ist es, wenn Spiele grafische Elemente oder schwer zu unterscheidende Farben tauschen. Sodass für betroffende Spielende Symbole erscheinen, die nicht nur über die Farbe zu unterscheiden sind.

Änderung der Farben: In "Forza Horizon 5" ändert sich die Farbe einer markierten Strecke.
Foto: Screenshot Forza Horizon 5 / Playground Games/Microsoft

Nicht nur in Videospielen, sondern auch in den Einstellungen von Spielekonsolen lassen sich Hilfen bei Farbsehschwächen aktivieren, sodass sie global angewendet werden.

Die besten Resultate werden allerdings immer erzielt, wenn Entwicklerstudios bewusste Entscheidungen treffen und problematische Elemente und Farben tauschen. Leider geschieht dies noch immer nicht durch ein komplettes Spiel durchgängig.

Eindeutige Namen: Bei Kleidungsstücken nennt "FIFA 23" direkt den Namen der Farbe.
Foto: Screenshot FIFA 23 / EA Sports

Apps für die Farbe

Eine Sonderstellung nehmen Apps ein, die eine Farbe benennen. Sie können auf das Smartphone oder dem Computer installiert werden und erkennen über die Kamera die Farbe und geben ihren Namen aus.

Betroffene wissen so einfach und schnell, um welche Farbe es sich handelt. Dies kann besonders hilfreich für komplett Farbenblinde sein.

Wann sind Assistenten hilfreich?

Bleibt zum Abschluss die Frage, wann sind solche Einstellungen hilfreich? Oft sind sie zu versteckt und und erfordern ein Wissen, das nicht als gegeben vorausgesetzt werden kann.

Außerdem sollte die Frage gestellt werden, warum Gestaltende nicht gleich ausreichende Kontraste und passende Farben nutzen, da in vielen Fällen sogar Normalsichtige Farbschemata für Farbenblinde angenehmer und besser finden.

Entscheidend ist viel mehr das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Probleme farbsehschwacher Menschen, da diese nicht immer mit Filtern gelöst werden können. Oft hilft die Nennung des Farbnamens mehr, als jeder Farbfilter.

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Markus Stahmann ist einer der Gründer von Farbsehschwaeche.de. Der Webentwickler aus Oldenburg möchte mit der Plattform für mehr Bewusstsein für die Problematik werben und das Thema mehr der Öffentlichkeit präsentieren.

Thomas Vogel stieß kurz nach der Gründung von Farbsehschwaeche.de dazu. Im normalen Leben ist er Ingenieur, wohnt ihn Herzogenaurach und möchte aktiv daran mitwirken, dass die Erfordernisse von Farbsehschwachen im täglichen Leben berücksichtigt werden. Bevor er in die Industrie wechselte, war er an der "Erlangen Graduate School in Advanced Optical Technologies" und kennt sich daher ein bisschen mit den physikalischen Hintergründen aus.